Was meine Tattoos für mich bedeuten

Was meine Tattoos für mich bedeuten

Tattoos- Immer wieder ein Thema das Bewunderung oder Entrüstung hervorrufen kann. Dan Brooks schrieb eine Geschichte für das New York Times Magazine mit dem Titel „The existential anguish of the Tattoo“ (dt.: Der existentielle Schmerz des Tattoos). Darin erzählt er, dass Tattoos mit einem Zeichen der Rebellion begannen, mittlerweile aber so allgegenwärtig in unserem Alltag und Leben sind, dass sie relativ wenig bis kaum stigmatisiert sind.

Ich persönlich hatte nie das Bedürfnis mich tätowieren zu lassen. Ich hatte nie eine konkrete Vorstellung von einem Motiv, noch wollte ich es machen, weil es gerade in war. Mich haben persönliche und familiäre Umstände und die Tatsache, dass ein Tattoo auf ewig auf meiner Haut ist und aufgrund dessen die Macht besitzt in mir ein Gefühl von Verbundenheit, Geborgenheit und Liebe hervorzurufen, dazu gebracht eine Nadel mehrmals durch meine erste Hautschicht stechen und schwarze Tinte zu einem wunderschönen Motiv werden zu lassen.

#1 Américo

Mein Vater und ich hatten schon immer eine enge Beziehung zueinander. Ich bin die verwöhnte Prinzessin in der Familie. Daddy’s little girl – und dafür schäme ich mich kein bisschen.

Wenn man in Deutschland eine Note auf eine Klassenarbeit bekommt, müssen die Eltern unter der Note unterschreiben als Zeichen, dass sie die schulischen Leistungen ihres Kindes zur Kenntnis genommen haben. Mein Vater hatte schon immer eine seltsame Unterschrift. Er wollte so eine kritzelartige Unterschrift wie Ärzte sie immer haben, nur sah seine kein bisschen so aus. Vielmehr hatte man das Gefühl, dass er eine coole und einzigartige Unterschrift wollte, sie aber nicht hinbekam, was sie wiederum süß und doch auch einzigartig machte. Er hieß Américo mit Vornamen und das A hat er immer so seltsam geschwungen mit vielen Krakseln, sodass es am Ende eher einem Q glich. Wenn man schnell darüber las, dachte man an Queijo – das Portugiesische Wort für Käse. Die Unterschrift ist Käse. Aber schöner, einzigartiger portugiesischer Käse und deshalb habe ich sie mir stechen lassen. So trage ich immer einen Teil von meinem Vater bei mir.

Ich möchte die Unterschrift an meinem linken Unterarm erweitern und daneben, die meiner Mama stechen, danach die meiner Schwester und sobald mein kleiner Bruder eine gefestigte Unterschrift hat, auch seine. So habe ich auf der Innenseite des Unterarms von weitem eine lange schwarze Linie, doch wer genauer hinsieht erkennt einzigartige Unterschriften, die miteinander verbunden sind.

Ich wohne so weit entfernt von meiner Familie, dass ich diese Art von Nähe, die unter die Haut geht, brauche.

#2 Saudade

“The Portuguese call it saudade: a longing for something so indefinite as to be indefinable. Love affairs, miseries of life, the way things were, people already dead, those who left and the ocean that tossed them on the shores of a different land — all things born of the soul that can only be felt.” ― Anthony De Sá, Barnacle Love

 Das portugiesische Wort Saudade hat keine Übersetzung – in keine andere Sprache. Es fällt mir auch immer sehr schwer es anderen Menschen zu beschreiben, denn man muss es fühlen. Nur wenn man es fühlt, weiß man was damit gemeint ist. Wie soll man aber etwas fühlen, das man in seiner eigenen Sprache nicht kennt? Emotionen, Kultur und Weltanschauung sind ein so wesentlicher Bestandteil von Sprache, dass sie so schwierig zu übersetzen sind. Ich weiß das, denn ich habe Übersetzen und Dolmetschen studiert.

Saudade kann man als eine Mischung aus Weltschmerz und Sehnsucht beschreiben, das würde dem Wort aber nicht gerecht werden. Saudade ist mehr als nur ein Wort. Es steht für Melancholie, Schmerz, Nostalgie, Einsamkeit, unerwiderte Liebe, verstorbene Geliebte, Sehnsucht nach dem Heimatland. So aufgezählt, wirkt das Wort sehr negativ belastet, ist es aber nicht. Saudade ist schön. Wer Saudade spürt, der lebt und liebt und weiß, worauf es im Leben wirklich ankommt.

Portugiesen sind ein stolzes, fröhliches aber auch sehr melancholisches Volk mit ihrem Fado, den Dichtern Fernando Pessoa, José Saramago und Luís de Camões. Sie sind ein Volk von Auswanderern, auf der Suche nach einem besseren Leben. Mit ihrem Heimatland im Herzen, machen sie sich auf den Weg in die weite Welt – genau wie meine Eltern damals, als ich sechs Jahre alt war. Für mich ist Saudade ein Gefühl das immer andauern wird, sei es um zu beschreiben, wie sehr ich meine Familie und mein Heimatland vermisse, sei es um zu beschreiben, dass ich mich nirgends wirklich Zuhause fühle (nicht einmal in Portugal), sei es, um verlorene Lieben und große familiäre Verluste, die ich in jungen Jahren schon erleben musste, zu beschreiben. SAUDADE könnte mich als Person nicht besser beschreiben und genau aus diesem Grund habe ich mir dieses Wort stechen lassen.

Warum ausgerechnet bei Tatuarium?

Seit Jahren überlege ich wo und wann ich mir dieses Wort stechen lassen soll. Durch einen Uni-Freund, habe ich erfahren, dass seine Freundin brasilianerin ist und ein Tattoo-Studio in Wien besitzt. Ich musste sie daraufhin kennenlernen. Ich stalkte ihre Arbeit auf Facebook und Instagram und war so begeistert von ihren Kunstwerken, dass ich schnell die Entscheidung traf sie anzuschreiben – natürlich auf Portugiesisch. Nach einem kurzem Gespräch hin und her war meine Entscheidung bereits gefallen. Ich wusste, dass sie die richtige Person war, um mir das Wort zu tätowieren. Ich traf sie persönlich, wir tauschten uns aus über die Liebe zu Portugal und da entdeckte ich ihr Tattoo. Sie hatte das Wort  auf ihrem Linken Oberarm. Wer sich das Wort Saudade selbst tätowieren lässt, weiß wie viel es mir bedeutet und genau aus diesem Grund, war ich wirklich glücklich mit meiner Entscheidung.

Die liebe Anna hat sich an meine Vorlage gehalten, allerdings natürlich auch ihre eigene würzige und brasilianische Note hineingearbeitet. Besonders schön finde ich es, wie das tätowierte Wort dem Herzschlag auf einem Monitor ähnelt. Eine bessere Metapher für Saudade hätte ich selbst nicht erfinden können. Ich bin mehr als zufrieden und wirklich glücklich mit meinem Tattoo und werde die nächsten auch wieder bei ihr in ihrem wunderschönen Studio, eingerichtet im 20er Jahre Stil, stechen lassen.

Was haltet ihr von Tattoos? Habt ihr Tattoos? Wen ja welche und wo habt ihr sie stechen lassen? Würde mich über eure Kommentare freuen.

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3 Comments

  • 7 Jahren ago

    Ach liebe Marcia,

    ich liebe einfach deinen Schreibstil! Ich freue mich jedesmal etwas neues von dir zu lesen 🙂
    Wieder einmal ein sehr gelungener Beitrag!

    Grüße aus „Heslach-Hood“ 😀

    Berna

    • Marcia
      7 Jahren ago

      liebe Berna,
      Dankeschön! Freue mich immer so sehr, wenn meine Beiträge positiv aufgenommen werden :* <3 ich bin bald mal in Stuttgart, vielleicht treffen wir uns ja auf einen Kaffee :*

  • Lifestylebazar
    7 Jahren ago

    Toll!

    Gruss, Nina / http://www.lifestyle-bazar.com