Ich musste erst lernen was Weltschmerz heißt…

Ich musste erst lernen was Weltschmerz heißt…

Ich musste erst lernen was Weltschmerz heißt…

Warum ich meinen Nachrichten- und Social-Media-Konsum drastisch reduziere.

DISCLAIMER

Ich will Nachrichten nicht schlecht machen, denn Medien sind ein wichtiger Bestandteil der Demokratie. Sie sollen uns bei der freien Meinungsbildung unterstützen. Ich will lediglich aufzeigen, dass, wie bei allem anderen auch, ein bewusster Konsum entscheidend ist. Man soll nicht alles von überall konsumieren, sondern in Maßen.

Ich habe eine Freundin, die kaum bis gar nicht Nachrichten konsumiert. Ich habe mich immer gefragt, wie das möglich sein kann, sich nicht mit dem Weltgeschehen auseinander zu setzen, blind durch die Welt zu gehen. Ich hatte immer das Gefühl, ich selbst sei nie gut genug informiert, würde mich nicht auskennen und wäre daher nicht für den Job, den ich ausübe, geeignet. Alle anderen in meinem Studium, in meiner Arbeit schienen so viel besser informiert zu sein. Daher beschloss ich unbewusst, so viel es geht zu zu lesen, aufzunehmen, bis ich eines Tages aufwachte, mich gerädert, einsam, traurig, ängstlich, überfordert und überlastet fühlte. Ich wusste lange nicht, warum es mir so schlecht ging. Warum ich alles ins Negative zog, warum ich nie fröhlich war und  stattdessen einen Hang zur Melancholie hatte, bis ich ein Wochenende – unbewusst – kaum auf mein Handy schaute, meinen Laptop nicht anfasste und gar nicht Radio-Nachrichten hörte, stattdessen Zeit in der Natur verbrachte und meine Umwelt bewusst aufnahm.

Mir ging plötzlich auf: Ich hatte die Sorgen der Welt auf dem Rücken, bezog alles auf mich und konnte mich nicht mehr abgrenzen. Ich hatte Weltschmerz.

Ich habe Weltschmerz.

Das mag für viele jetzt melodramatisch klingen, wenn man aber aufgrund seines Berufes fast 24/7 Nachrichten und Social-Media verfolgt und keinen Abgrenzungsmechanismus erlernt, ist Burn-Out vorprogrammiert.

Erinnert ihr euch noch an die Zeiten als bestimmte Fernsehsender nachts Sendepause hatten und entweder ein schwarz-grauer Flimmer den Bildschirm einnahm oder eine niemals-endende Aufnahme eines Kaminfeuers? Das gibt es heute nicht mehr. Nachrichten schlafen nicht. 24-Stunden pro Tag, jeden Tag, siebenmal pro Woche, 365 Tage im Jahr werden wir damit versorgt. Mit den richtigen Apps, bekommt man sie alle paar Minuten als wichtige Eilmeldung aufs Handy geschickt. Wichtig hat hierbei die Bedeutung verloren, denn man bekommt mittlerweile wirklich alles als Eilmeldung.

Verfolgt man regelmäßig Nachrichten, gewinnt man schnell den Eindruck, dass die Welt bald untergehen wird. Das ist aber definitiv nicht so und das ist mir rational gesehen auch irgendwo bewusst.

Diese pausenlose Berichterstattung kommt nicht davon, dass mehr passiert, sondern, dass es mehr Wege und Möglichkeiten gibt über Geschehnisse zu berichten, als das noch vor zehn Jahren der Fall war. Zudem herrscht zwischen diversen Medien ein hoher Wettbewerbsdruck, der einen eklatanten Einfluss auf die Art und Weise und die Frequenz der Berichterstattung hat. Weniger ist nicht mehr in der Medienbranche. Quantität und reißerische Schlagzeilen bedeuten mehr Leser*Innen / Zuschauer*Innen, bedeuten mehr Klicks, höhere Einschaltquoten, mehr Abonnent*Innen, mehr Views, mehr Geld, weil mehr Anzeigen verkauft werden.

Es passiert nicht mehr.
Es wird nur mehr kommuniziert.

Mehr passiert aufgrund dessen nicht. Es wird nur eindringlicher kommuniziert. Wir hören, lesen und sehen immer wieder dieselben Nachrichten, mit einer zusätzlichen oder gar keiner neuen Info, über den Tag verteilt. Somit reicht es auch, wenn man einmal täglich bewusst Nachrichten liest, aufnimmt und sich informiert, denn wenn wir Eilmeldungen abonnieren, mehrmals täglich News-Seiten konsumieren, Radio-Nachrichten hören und der eigene Facebook-Feed dem Feed einer Nachrichten-Seite gleicht, werden wir mit unzähligen und oftmals negativen Meldungen überflutet. Psychologisch gesehen, brauchen wir aber dreimal so viele positive Impulse als negative, um ausgeglichen zu sein und uns wohl zu fühlen. Bei einem derartig besorgniserregenden Nachrichtenkonsum ist das unmöglich.

Lese ich über Altersarmut, dann macht das was mit mir….

Lese ich permanent über Tod und Krieg, über Altersarmut, arbeiten bis zum Tod, weil unsere Generation keine Rente mehr bekommt, darüber wie benachteiligt Frauen im Beruf sind, weil sie Frauen sind, weil sie jederzeit schwanger werden könnten, weil sie bereits schwanger waren und nun ein Kind versorgen müssen, weil, weil weil, dann macht das was mit mir. Sehe ich auf Social Media, wie alle happy sind, wie alle heiraten, Kinder kriegen Erfolg haben, macht das ebenfalls etwas mit mir.

So beginnt Unzufriedenheit und Weltschmerz – indem wir mit Push-Benachrichtungen daran erinnert werden, wie furchtbar schlimm die Welt ist und dass wir – dank Social Media – sowieso nicht gut genug sind, so wie wir sind.

Wie entkomme ich dieser Informationsflut?

Ich habe für mich Wege gefunden, mit denen ich mal mehr, mal weniger gut Leben kann. Ich arbeite in dieser Welt. Ich bin Journalistin, Kolumnistin und Bloggerin – ich konsumiere nicht nur Nachrichten, ich mache sie auch. Daher vermeide ich sie nicht, sondern schraube den Konsum wesentlich zurück. Ihr habt es auf Social Media vermutlich auch schon gemerkt, ich bin nicht mehr so viel online und poste auch nicht mehr so regelmäßig.

HANDY

  • Apps deinstallieren und nur eine behalten. Eilmeldungen abbestellen.
  • Facebook vom Handy löschen (kein unnötiger Nachrichten-Feed, kein unnötiges Scrollen)
  • Zeitlimit für Apps einstellen (Instagram max. 1,5 Stunden am Tag, Süddeutsche Zeitung max. 30 Minuten pro Tag am Handy)
  • Ein handyfreier Tag pro Woche!
  • Handy erst eine halbe Stunde nach dem Aufstehen in die Hand nehmen und spätestens eine Stunde vor dem Schlafengehen weglegen.

LAPTOP/RADIO/FERNSEHEN

  • Zwanzig Minuten am Tag für Nachrichtenkonsum am Laptop einplanen. Ich mache das nicht mehr morgens nach dem Aufwachen und nicht mehr abends vor dem Schlafengehen, weil ich sonst schlecht in den Tag starte und mit einem mulmigen Gefühl schlafen gehe. Stattdessen baue ich 10 Minuten am Vormittag und 10 Minuten am Nachmittag ein.
  • Ich besitze keinen Fernseher. Problem solved.
  • Ich lese nur noch zusammenfassende Berichte und nicht alles zu einem Thema.
  • Ich höre kein Radio, außer ich fahre bei irgendwem im Auto mit. Da das meistens mein Freund ist, sind die Sender auf Tschechisch und ich verstehe sowieso nichts.

PRINTMEDIEN

  • Ich habe Tageszeitungen abbestellt und nur eine Wochenzeitung abonniert. Samstag- oder sonntagmorgens plane ich max. eine Stunde ein, um sie zu lesen.

Und wie geht es mir jetzt?

Das eine Wochenende, an dem ich unbewusst, so wenig Nachrichten und Social Media konsumierte, hat mir aufgezeigt, wie schädlich sich diese Flut auf mein Wohlbefinden und meine mentale Gesundheit ausgewirkt hatte. Heute bewundere ich meine Freundin, die noch immer kaum Nachrichten konsumiert, stattdessen regelmäßig Dokus zu Themen, die sie interessieren, schaut und wenn Wahlen anstehen, informiert sie sich auf entsprechenden Websites. Sie geht viel positiver und voller Energie durchs Leben und vielleicht werde ich das schon bald auch.

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2 Comments

  • Marcel
    5 Jahren ago

    Ein schöne einleuchtende Analyse.
    Zusätzlich wäre es noch möglich, sich bewusst öftrrd mit positiven Gedanken zu beschäftigen.
    Ob wir nun über erreichtes froh sein wollen
    oder über etwas anderes.

  • 5 Jahren ago

    Volle Zustimmung auch von mir. Ich konsumiere auch seit längerem keine Nachrichten mehr, da ich irrsinnig schnell bemerkt habe, dass nur „negative Schlagzeilen“ angezeigt werden. Es ging bei mir soweit, dass ich teilweise auch Angstzustände hatte, wenn ich in einem Land auf Urlaub gehen wollte, wo berichtet wurde, dass hier das Land Opfer eines Terror-Attentats war.