Wie ich mich als Feministin auf einer Unisex-Toilette verlor

Wie ich mich als Feministin auf einer Unisex-Toilette verlor

Wie mir eine Unisex-Toilette dabei geholfen hat, über alte Rollenmuster und mich als Feministin nachzudenken.

„Ohne Mann ist es schon schwer. So muss ich alle Männeraufgaben alleine bewältigen und das, obwohl ich nur eine Frau bin.“ Erst letztes fiel bei einem Gespräch dieser Satz. Mein Gegenüber, eine Single-Mutter in den 50ern, beschrieb mir die Vor- und Nachteile der Unabhängigkeit als Frau. Viele Punkte schienen mir klar und auch heute noch gültig, in einigen Aussagen spiegelte sich hingegen eine andere Generation wider. Die meiner Eltern.

Ohne Frage ist an dem Eingangssatz, bis auf die korrekte Aneinanderreihung der Buchstaben, alles falsch, was nur falsch sein kann. Männeraufgaben gibt es genauso wenig, wie eine Frau das Adverb NUR zur Degradierung vor sich stellen sollte. Bis auf biologische Unterschiede, gibt es für mich keine zwischen den Geschlechtern und ein Frau kann alles, was sie können möchte.

Ich bin selbst nicht besser

Und obwohl ich so denke, erwische ich mich selbst immer wieder, wie ich in alte Rollenmuster verfalle. Meistens nur in Gedanken. Und dann ist mir das auch peinlich – mir selbst gegenüber. Ich lebe in meiner kleinen akademischen Blase, dieser „Rosaroten-Brille-Realität“, in der ich die Welt auch wirklich retten kann und es für alles eine Lösung gibt. Und dennoch ist es schwierig für mich, all die Jahrzehnte lang aufgebauten Rollenbilder und Personenkonstrukte hinter mir zu lassen.

So richtig ist mir das erst vor kurzem klar  geworden, als ich mit Freunden in einem Café saß. Nach einer Zeit rief die Natur und ich ging auf die Toilette. Bisher nichts Ungewöhnliches! Eigenartig wurde es erst, als ich verloren mitten im Raum stand und nicht weiter wusste. Wo waren die Schilder? Kein Symbol, das mir sagte, wohin ich als Frau zu gehen hatte, war auffindbar. Wo war das in ein Töpfchen pinkelnde Mädchen oder das große F, das mir den Weg zum stillen Örtchen weist? Ich ging hin und her und wollte schon fast wieder nach draußen gehen, bis mir klar wurde, dass ich mich auf einer Unisex-Toilette befand. Ich war enttäuscht. Ich bin Feministin und verliere mich in Unisex-Toiletten. Ich habe mich tatsächlich nicht verirrt, ich habe mich ein Stück weit verloren. Und dadurch auch gefunden, denn ich begann nachzudenken. Wieso lege ich auf Kategorisierung wie diese so viel Wert?

Sind nicht alle Rollenbilder ein Stück weit gelernt?

Natürlich kann man getrennte Toiletten mit alten Rollenbilder nicht eins zu eins nebeneinander stellen. Mir ist klar, dass der Gang aufs Örtchen  auch ein gelernter Prozess ist, der automatisiert abläuft. Die Unisex-Ausführung war also mein persönlicher Error 404. Doch das kleine Erlebnis hat mich nachdenklich gestimmt. Sind nicht alle Rollenbilder ein Stück weit gelernt? Sie sind das, was uns von klein auf mitgegeben wurde und wir unbewusst übernehmen. Und ich habe scheinbar einiges übernommen, das mich auch in anderen Bereichen noch nicht so frei denken lässt, wie ich mir das wünschen würde.

Kleine Beispiele: Ich möchte von einem Mann angesprochen und erobert werden. Heiratsanträge waren und sind in meinem Kopf immer noch ein bisschen Männersache und Dinge, die mit Autos oder Technik zu tun haben, sind auch besser in männlichen Händen aufgehoben. Ich mache mich über meine Großmutter lustig, die es furchtbar findet, dass ich unverheiratet mit einem Mann zusammenwohne und mein Freund meistens den Kochlöffel schwingt – und selbst lebe ich diese veralteten Rollenbilder auch ein Stück weit. Doch eine Frau ist eben nicht mehr das, was sie in den Köpfen meiner Großeltern und Eltern ist. Wir sind unabhängig und frei. Wir können eben alles, was wir können wollen. Und ich möchte festgefahrene Rollenbilder wieder verlernen.

„Ohne Mann ist es schon schwer. So muss ich alle Männeraufgaben bewältigen und das, obwohl ich nur eine Frau bin.“ Ich sage bewusst „Nein“ zu all dem und Toiletten, egal ob unisex oder nicht, verwirren mich in Zukunft hoffentlich nicht mehr. Ich arbeite auf jeden Fall daran. 

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